Querschnitt durch die mit sieben Schlitzscharten bestückte Turmetage, unterhalb
der Schallöffnungen. Eine Bodenetage tiefer wurden wegen der versperrten Sicht
nur noch drei Schlitzöffnungen eingefügt.
In den meisten Darstellungen, die siech mit der Rödersdorfer Kirche
befassen, wird der Turm als ursprünglich allein stehender Wartturm interpretiert.
Im rippenlosen Kreuzgewölbe des Untergeschosses soll sich nach
Ansicht von B. Schmidt die einstige Jodokuskapelle befunden haben.
Wie wir bereits aufgezeigt haben, wurden die unmittelbar an den Turm
angrenzenden Mauerzüge des Schiffes in einem Guss errichtet.
Der Kirchenbau war also von Anfang an mit einem seitlich vorgelagerten
Turm konzipiert.
Seinen wehrhaften Charakter, der in den Darstellungen immer so stark
betont wird, sprechen wir
ihm auch als Kirchturm keinesfalls ab. Unterhalb der spätgotischen
Schallöffnungen wurde dieser mit sieben „Schießscharten“ bestückt,
wovon allerdings nur eine solche schräg gestellte Öffnung nach der
Südseite zeigt. Im Ernstfall konnte sich ein Verteidiger mit seinem
Oberkörper hineinzwängen, um mit Verteidigungsgerät das ihm sichtbare
Blickfeld in Schach halten bzw. zu beobachten.
Ganz bewusst möchten wir die Begriffe Schießscharte oder Wehrkirche meiden.
Diese Bezeichnungen heroisieren zu sehr, es werden Vorstellungen
von Kriegsgeschrei und Waffen überbetont. Eine Etage tiefer wurde
der Turm nur noch mit drei solchen Schlitzscharten bestückt,
die nächst tiefere besitzt ebenfalls nur noch drei solcher Öffnungen.
Auffallend ist, dass bei den beiden letztgenannten Etagen die Südseite
nicht mehr berücksichtigt wurde. Den Grund hierfür müssen wir im
südlich vorgelagerten Dach von Schiff und vor allen vom Chor suchen.
Diese wichtige Tatsache ist ein weiterer Hinweis darauf, dass der Turm
und das Schiff eine gemeinsame Entstehungsgeschichte haben.
In der nächst tieferen Etage ist schließlich nur eine solche
Öffnung in östlicher Richtung eingefügt worden. Und schließlich
sehen wir eine solche östlich eingefügte dort, wo sich der einzige hoch gelagerte Zugang zum Turm befindet, in Etwa fünf Meter Höhe.
Neben den Wehrhaft defensiven Charakter kommt den Schlitzscharten
die nicht zu unterschätzende Funktion zu, das Turminnere mit wenigen
einfallenden Licht auszuleuchten.
Längs- und Querschnitt einer Schlitzscharte
Die erhalten gebliebenen Schlitzscharten an dem Rödersdorfer Kirchturm
lassen in ihrer Form zudem im Zusammenspiel mit unseren bisherigen
baugeschichtlichen Erkenntnissen eine Einordnung zu, die ins
13. Jahrhundert weist. Solche einfachen Formen, ein außen etwa 10 - 20 cm
breiter und 50 –100 cm großer Sehschlitz dieser Schlitzscharten,
zeugen für jene Bauepoche der Besiedelungszeit.
In späteren Zeiten wandelten sich diese Formen, dem jeweiligen Stand
der Wehrtechnik folgend, etwa zu Maul - oder Schlüsselscharten.
Letztere Form finden wie unter anderem an dem Ende des 15. Jahrhunderts
erbauten Turm der Schleizer Bergkirche.
Der Kirchturm von Rödersdorf nahm zudem , was ganz allgemein für jene
mittelalterliche Zeit gilt, die Funktion eines Bergfriedes ein.
Er galt daher als das „Rechtssymbol der Guts - und landesherrlichen
Obrigkeit“. Weiterhin kommt auch den im Turm aufgehängten Glocken
neben der Verwendung für sakrale Handlungen große Bedeutung zu.
Hier sei nur an die allgemein überlieferten Gerichts -, Bann -,
Mord - oder Sturmglocken erinnert. „Als der erste und einzige
Gemeinschaftsbau im Dorfe“, ging gerade der Kirchturm in seiner
Bedeutung eine äußerst interessante Symbiose als Sakralbau, und
als Hüter von Recht und Ordnung oder auch als Wehrbau ein.
Der hochgelegene Südzugang des Turmes im inneren der Kirche bezeugt
zudem den defensiven Wehrcharakter. Er war zunächst nur mit einer
Leiter zu erreichen, die bei Gefahr schnell ins Turminnere gezogen
werden konnte. Die heute dorthin führende Treppe wurde wohl erst im
Renaissancezeitalter, nachdem die wehrhafte Bastion an Bedeutung
verloren hatte, errichtet. Der zu ebener Erde sehr tief liegende
abgestufte Turmzugang, hinter welchem sich nur ein gewölbter Raum
befindet, entstand in dieser Form erst mit der Errichtung des etwa
einen Meter überstehenden Treppenaufgangs zum eigentlichen Turm.
Die schwere Eisentüre mit ihren erst in den
80er Jahren gestohlenen bedeutungsvollen Schlüssel weist typische
Merkmale spätgotischer Formgebung auf. Dieser untere Turmzugang konnte,
wie auch der darüber liegende, von innen verriegelt werden.
Unmittelbar über der mit sieben Schlitzscharten bestückten Turmetage befindet sich schließlich die Glockenstube. Ab der letzten Balkenlage ist hier die Turmmauer nur noch cm stark ausgeführt. Drei von vier hier eingefügten Schallöffnungen sind noch im Scheitelpunkt mit Maßwerkgebilden versehen. Drei- und Vierpassformen, ähnlich dem nüchternen Nordchorfenster, weisen auf den Erweiterungsbau im beginnenden 16. Jahrhundert hin. Durch diese spätgotische Turmaufstockung mit ihren aufgelockerten Maßwerkdurchbrüchen der vier Schallöffnungen Zusammenwirken mit leichtfüßig licht durchfließenden Chorfenstern wird die zunächst erdgebundene Trotz bietende Burg Christi in Verbindung mit spät -mittelalterlichen Jenseitsvorstellungen zu einen zum Himmel aufragenden Wegweiser umgewandelt.
Von Mike Finke Rödersdorf. Nach knapp einer Stunde war gestern das Werk vollbracht. Der Turmknopf und die Wetterfahne der Rödersdorfer Kirche wurden abgenommen und zur Restauration in die Kunstschmiede Gebhardt nach Knau gebracht. Kurz vor 10 Uhr betraten Pfarrer Karl-Heinz Scheide und Kirchenältester Eberhardt Lukas zusammen mit Walter Weigelt und Rudolf Weise, Mitarbeiter der Kunstschmiede, das Gerüst und begaben sich zur Spitze der 57 Meter hohen Kirche. Schweres Werkzeug nahmen sie mit, um den Turmknopf und Wetterfahne abnehmen zu können. Bevor die Arbeiten begannen, sprach Pfarrer Scheide ein Gebet für die, die sich auf den Kirchturmes wagen. Zahlreiche Rödersdorfer versammelten sich an der Kirche, um bei diesem Ereignis dabei zu sein. Nach kurzer Begutachtung ging es sofort ans Werk. Mit einer Eisensäge wurde das Führungs- und Haltegestänge von Knopf und Wetterfahne gekürzt. Kurz darauf konnte schon die Fahne abgenommen werden. Der Turmknopf trägt viele Einschusslöcher - nach Aussagen der Anwesenden aus dem zweiten Weltkrieg. Der Fund von Munitionsresten im Inneren des Turmknopfes bestätigte das. Mit Spezialmeißel und Hammer ging es schließlich an die Abnahme des Turmknopfes. Zuvor trennten die Mitarbeiter der Kunstschmiede noch den Blitzableiter. Nach einer halben Stunde konnte der Knopf geöffnet werden. Das Interesse am Knopfinhalt war bei allen Anwesenden groß. Zum Vorschein kam ein schon etwas marodes Holzetui. In ihm befand eine Metallröhre, die durch die starke Korrosion nicht schwer zu öffnen war. Nach dem Abstieg begutachteten Pfarrer Karl-Heinz Scheide und Eberhardt Lucas die Metallröhre. Zum Vorschein kamen historische Schriftstücke aus dem Jahr 1855. Daraus ging z.B. hervor, dass die Rödersdorfer Einwohner in diesem Jahr 16 Altschock, sieben Groschen und neun Pfennige für die Vergoldung des Turmknopfes spendeten. Die Schriftstücke sollen nun genau entziffert werden, bevor sie zusammen mit einer aktuellen Chronik wieder in dem restaurierten Turmknopf auf die Kirchturmspitze kommen.