Die Baugeschichte des Rödersdorfer Gotteshauses

So wie wir heute die Kirche vor uns sehen, entstand sie in mehreren Bauepochen. Da sich aus vorreformatorischer Zeit keine urkundlichen Baubelege erbringen lassen, müssen wir durch kunstgeschichtliche Betrachtungsweise aus der vorhandenen Bausubstanz der Kirche eine Rekonstruktion herleiten. Allerdings kann dieser Versuch nicht ganz zufrieden stellend ausfallen. Eine exakte Darstellung wäre nur dann möglich, wenn bei zukünftigen Erneuerungsarbeiten die Spatenforschung angewandt werden könnte. Das heutige Kirchengebäude besteht aus drei architektonischen Baugliedern, einmal dem Schiff, dem durch einen Triumpfbogen vom Schiff getrennten Chor und schließlich dem an der Nordseite des Chores seitlich vorgelagerten Turm. Die zumeist vertretene Ansicht, dass der Kirchturm aus einem älteren allein stehenden Wartturm hervorgegangenen sei (so bei P. Lehfeldt und B. Schmidt), kann nicht aufrechterhalten werden, denn der unmittelbar an diesen Turm angrenzende Mauerzug des Schiffes ist "wie in einem Guss geschaffen"! Der Mauerzug des Schiffes weist zum Turm einen gut ineinander gehenden Mauerverband auf, was durch den heute fehlenden Außenputz gut sichtbar ist. Erst bei ca. vier Meter Höhe des Schiffes zum Turm kann man eine unverzahnte Baunaht feststellen, die von einer späteren Schifferhöhung zu Anfang des 17. Jahrhunderts herrührt. Dagegen weist die Ostecke des Turmes zum beginnenden Chorpolygon Merkmale auf, die eindeutig besagen, dass jener Chormauerzug lediglich in einem vollkommen ungenügenden Verband an den älteren Turm angelehnt ist, demnach also jünger sein muss.

In den alten Mauerzügen von Schiff und Turm (letzterer ist gleichzeitig die Begrenzung des alten zunächst nur viereckig gestalteten Chorraumes), erkennen wir das alte Kapellengebäude. Aus dem Ablassbrief von 1341 geht hervor, dass schon vor diesem Jahre eine Kapelle in Rödersdorf bestand. Die zentrale Lage inmitten des als Rundling angelegten Ortes deutet darauf hin, dass das Gebäude schon zum Zeitpunkt der Ortsgründung berücksichtigt wurde. Die Größe des Schiffes von 14,30m x 8,60m , welches eine in sich geschlossene Baueinheit darstellt, da keine Bauerweiterungen in diesem Mauerverband ablesbar sind, weicht in ihren Ausdehnungen nicht von den spätromanischen Kirchenbauten der Umgebung ab.

Grundriß der Rödersdorfer Kirche Als Vergleichswerte seien die Grundmaße der Kirchenschiffe vom benachbarten Löhma mit 14,40m x 7,70m oder Mielesdorf mit 10,50m x 8,40m angegeben. Die Vergleichswerte geben zur Genüge an, dass ein Großteil unserer Kirchen bereits seit ihrer Gründungszeit sich in ihren äußeren Hüllen kaum verändert haben. Dieses trifft in unserem Falle eben auch auf das als Kapelle ausgewiesene Rödersdorfer Gotteshaus zu. Bei solchen Kapellen handelt es sich zumeist um Gotteshäuser mit eingeschränkten kirchenrechtlichen
Handlungen. Wichtige Handlungen wie etwa Taufe oder Begräbnis oder die Beisetzung mit einem Geistlichen blieben dabei zumeist der Mutterkirche vorbehalten. Einen erst nach der Ablassbekundung entstandener Erweiterweiterungsbau stellt, wie wir eben festgestellt haben, das Chorpolygon dar. Dieses weist heute eine ganz und gar unregelmäßige Grundrissform auf, die wie es schon Paul Lehfeldt angenommen hat, aus der "Schonung älterer Bauteile" herrührt. Auch im Chorinneren kann man jene Unregelmäßigkeit feststellen. Dort springt der nördliche Chormauerzug gegenüber dem nördlichen Schiffmauerzugleicht zurück. Dagegen weist der südliche Chormauerzug gegenüber dem südlichen Schiffmauerzug breitere Ausmaße auf. Mit großer Gewissheit entsprach die Gradzahl des Nordostwinkels des Chores ursprünglich dem des heute weiter ausladenden Südostwinkel. Wenn wir uns den Südostwinkel des Chores symmetrisch mit dem Nordostwinkel vorstellen, entsteht so ein Chorraum, der ebenfalls leicht zum Schiff eingezogen gewesen wäre. Der Chorraum wurde also bis ins ausgehende Mittelalter nochmals einschneidend verändert.

ein alter unverputzter Mauerzug Der Nordmauerzug des Chorpolygons zum Turm hin ist, wie wir es weiter oben schon festgestellt haben, nur ungenügend mit dem älteren Turmmauerwerk verbunden. Von der Balkenlage des Chordaches, also über den gewölbten Chor, kann man schließlich sehr deutlich die unverzahnte Baunaht direkt an der Knickung zum Polygon erkennen, welche somit auf die erste Chorerweiterung im 14. Jahrhundert schließen lässt, denn der älteste Chorabschluss endete nach unseren Untersuchungen ja in einem Rechteck. Vom Südosteckpunkt des Chores wurde dann, wohl zu beginn des 16. Jahrhunderts, der südliche Mauerzug weiter herausgesetzt, so dass ein vollkommen unsymmetricher 5/8 - Schluss mit wuchtigen schieferbedeckten Strebepfeilern entstanden ist. Letztere stützen die mächtigen Wandflächen und fangen den Schub des hoch eingewölbten Chores ab. Der so erweiterte Chor entsprach wohl eher den liturgischen Erfordernissen als Wallfahrtsort, er wurde in zwei Chorjoche unterteilt und mit einem rippenlosen Kreuzgewölbe bekrönt. Eine derb anmutende, im leichten Spitzbogen endende Sakramentnische an der Chorostwand entspricht durchaus noch dem Zeitgeschmack des ausgehenden 14. Jahrhunderts, als man das Polygon errichtete. In solchen Nischen wurden einst die Sakramente wie Brot, Wein oder Öl aufbewahrt. "In der Regel sind sie auf der Evangelienseite des Altars, also links von der Gemeinde aus gesehen, wo in der katholischen Kirche das Evangelium gelesen .... wird".

Größere bauliche Veränderungen erfolgten nach den kunstgeschichtlichen Erkenntnissen im beginnenden 16. Jahrhundert. Der Chor wurde in dieser Zeit auf das heute noch gültige Aussehen erhöht und erweitert, indem man die gesamte Südseite hinausrückte. Dabei erhielt dieser vier bemerkenswerte einbahnige Chorfenster mit im Scheitelpunkt ständig variierenden Maßwerkgebilden. Lediglich das mit einem Vierpass endende Nordfenster des Chores mutet älter an, ohne es aber zu sein. Obwohl wir weder das genaue Errichtungsjahr noch über die ausführende Bauhütte urkundlich unterrichtet sind, können wir anhand eines Steinmetzzeichens, welches sich am Südportal befindet, interessante Aufschlüsse ziehen. Das besagte hier angebrachte Meisterzeichen finden wir u.a. in der Stadtkirche von Ranis, in der Stadtkirche von Tanna, weiterhin im Chorgewölbe und im Stabmaßwerkportal der Schleizer Bergkirche, in Dienstädt bei Jena und in Teichröda bei Rudolstadt. Die benötigten Werksteine stammen aus einem Steinbruch in der Nähe von Ranis. Das Portal an der Westseite der Rödersdorfer Kirche endet schließlich in überschneidender Stabwerkumrahmung in einem Rundbogen, welcher nun bereits die Renaissanceepoche ankündigt. Alle sorgfältig ausgeführten Fenster des Schiffes sind dagegen jüngeren Datums. Sind die spätgotischen Fenster des Chores noch mit schön im Verband zugehauenen Sandsteinen im Mauerwerk eingebunden, zeugen die bereits mit Ziegeln aus gemauerten Fensterleibungen von einem viel jüngeren Baugeschehen. Die einbahnig mit profilierten Holzschenkeln unterteilten Fenster rühren aus der Mitte des 19. Jahrhunderts her. Neben den auf das Jahr 1849 zurückgehenden beachtlichen Veränderungen, erhielt das Gotteshaus zwei neue Fenster nach der Abendseite, sowie ein halbes über der Tür auf der Mittagsseite. Die Fensteranordnung der 1849 gestalteten Schiffsüdseite aber geht wiederum auf einen beträchtlichen Umbau nach 1605 zurück. Der Scheitelpunkt überschreitet dabei die ursprüngliche mittelalterliche Schiffhöhe. In jenem Jahre wurde nämlich Rödersdorf kirchlich zum selbständigen Pfarrort erhoben. Eine 1957 wieder entfernte Empore dürfte für die Schifferhöhung und Fenstergestaltung ausschlaggebend gewesen sein, um das Schiff genügend mit Tageslicht aufhellen zu können, wie wir es auch an anderen Kirchen häufig beobachten können.