Der Ablassbrief von 1340 und seine Bestätigung von 1341

 Ein Fenster unserer Kirche Spätmittelalterlicher Wunderglaube, gepaart mit spätmittelalterlicher Frömmigkeit, ließ hier einst eine Wallfahrtskapelle entstehen. Sicherlich wirkte dabei die landschaftliche Umgebung bei den Wunderglaubensvorstellungen des menschlichen Gemüts entscheidend mit. Wir kennen heute nicht mehr die Gründungslegende, die zur Wallfahrt in Rödersdorf geführt haben mag, lediglich eine verblasste Erinnerung ist bis auf den heutigen Tag im Bewusstsein der Menschen wach geblieben. Nach dieser soll die heute noch vorhandene Peta´ , eine trauernde Maria mit dem von den Kreuzesmartern gezeichneten Sohn auf ihren Schoß, wundertätig gewesen sein. Der Ablassbrief von 1340, auf den hier näher eingegangen werden soll, würde demnach als Vorstufe für die Wallfahrt stehen, denn das wundertätige Marienbild mit dem Leichnam Christi gehört, worauf wir noch zurückkommen werden, kunstgeschichtlich dem "weichen Stil" an und ist demnach im ersten Drittel des 15. Jahrhunderts entstanden. Diese Plastik kann also durchaus mit ihrer überlieferten wundertätigen Wirkung ganz entscheidend zur Wallfahrt beigetragen haben. Für 1340 ist jedenfalls bezeugt, dass das Rödersdorfer Gotteshaus zusammen mit seiner Mutterkirche im benachbarten Göschitz einen Ablass erhielt. Dieser ist wiederum in der Hauptsache verantwortlich gewesen für das überdimensionale Erscheinungsbild dieser Kirche. Das Original des Ablassbriefes von 1340 ist leider nicht erhalten geblieben. Unser Wissen hierüber stützt sich dabei auf eine vom Naumburger Bischof Wittich 1341 ausgestellte Bestätigungsurkunde, die wiederum nur als "verderbte Abschrift" aus dem Ende des 18. Jahrhunderts auf uns gekommen ist. Der Ablassbrief soll sich bis zu Ende des 18. Jahrhunderts im Göschitzer Pfarrhaus befunden haben. Von hier sei dieser dann in seiner Amtstätigkeit von Pfarrer Graf (1810 -1825) ins Archiv nach Schleiz gekommen. Seitdem ist er nicht mehr Auffindbar. Lediglich die bereits erwähnte Kopie aus dem Ende des 18. Jahrhunderts gibt Zeugnis vom ursprünglichen Textlaut. Der namhafte Erforscher der vogtländisch - reussischen Geschichte Dr. Berthold Schmidt (1856 - 1929) hat den so überlieferten Urkundentext mit gleich lautenden Ablassbriefen jener Zeit, die in Avignon ausgestellt worden sind, verglichen.

wundertätiges Marienbild In Avignon wurde von einem Erzbischof unter Hinzuziehung von zehn Bischöfen für die "Pfarrkirche St. Jacobi in Göschitz und die Kapelle St. Jodoci in Rödersdorf" am 10. November 1340 der bewusste Ablassbrief ausgestellt. Weitere in Avignon ausgestellte Ablassbriefe die unserer Betrachtung sehr dienlich sind, erteilte man u.a. im Jahre 1319 der Dresdener Kreuzkirche, der in Großenstein bei Ronneburg 1399 sowie der dem hl. Nikolaus geweihten Kirche von Pöllwitz bei Zeulenroda. Diese Briefe unterscheiden sich, abgesehen von den Ortsnamen und den jeweils örtlich verehrten Heiligen im Textlaut kaum. Weiterhin erfahren wir aus dem Ablassbrief die wichtige Tatsache, dass die Göschitzer Kirche Jacobus d. Ä. geweiht war, während die Rödersdorfer Kapelle der hl. Jodocus als Schutzpatron Erwähnung findet. Deutlich geht aus der schriftlichen Überlieferung hervor, dass das Rödersdorfer Gotteshaus im Filialverhältnis zu Göschitz stand. Zur Kirchweih sowie an bestimmten im Ablassbrief erwähnten Heiligentagen erteilten der Erzbischof und die zehn hinzugezogenen Bischöfe an die Gläubigen aus Anlass der Andacht, des Gebets sowie zu Gottesdiensten oder zu Wallfahrten nach Göschitz und Rödersdorf ihren Segen. In der Übertragung des Ablassbriefes aus dem Lateinischen durch Berthold Schmidt heißt es unter anderem: "Welche beim Abendläuten kniefällig drei Ave Maria sprechen, oder welche zum Bau, Geleucht, Schmuck oder zu anderen der genannten Kirche und Kapplle Notwendungen hilfreiche Handarbeit leisten, oder welche in ihrem Testamente oder sonst Gold, Silber, Kleidung oder irgendwelche andere Wohltaten der genannten Kirche und Kapelle zuwenden oder letztwillig vermachen, oder die Friedhöfe derselben besuchen, um für die Seelen aller verstorbenen Gläubigen zu beten oder ihr Begräbnis daselbst wählen und für den Ausbringer dieser Indulgenz und dessen Vater und Mutter zu Gott beten etc. bewilligen wir (die Aussteller) einen Ablass von vierzig Tagen für alle ihnen auferlegten Bußen etc." Es war aber nur der Rödersdorfer "Kapelle" vergönnt, sich zu einem vielbesucliten Wallfahrtsort entwickeln zu können, während die Mutterkirche in Göschitz sich nicht als solche bestätigen konnte. Weitere einst mit Ablaßbriefen ausgestattete Kirchen der Umgebung, wo sich also unter gegebenen Umständen eine Wallfart hätte entwickeln können, waren die von Oettersdorf (1320), Saalburg (1320 sowie 1479, bestätigt 1480), Löhma (1371), Heinersdorf (1452), Remtendorf (1475), Pöllwitz (1340) und Friesau (1415 und 1436). Aber lediglich der letztgenannte Ort konnte sich zu einem viel besuchten Wallfahrtsort entwickeln. Die Gründe für, die Fehlentwicklungen müssen wir vor allem in den verkehrsbedingten Möglichkeiten suchen. Für die Entwicklung zu einem Wallfahrtsort dürfte der Verlauf der alten Handelsstraße, von Nürnberg über Schleiz herkommend, einst sogar durch Rödersdorf führend, weiter nach Auma in Richtung Leipzig verlaufend, von allergrößter Bedeutung gewesen sein. Ein jeder Patronatsherr wird bestrebt gewesen sein, die Kirche, in der er als solcher fungierte, mit finanziellen Mitteln aufzuwerten. Im Besonderen können wir diese Tatsache im ostthüringischen Raum beobachten. Also dort, wo eine zentrale Machtentfaltung fehlte, waren auch die finanziellen Gegebenheiten, eine Kirche zu unterhalten, sehr schwierig, wobei noch die überaus große Zahl an bereits vorhandenen Dorfkirchen hinzukommt, denn beinahe in jedem Ort der Umgebung treffen wir eine Kirche an. Finanzierung, Instandhaltung, Pfarrerbesoldung oder gar Erweiterungen waren für die kleinen Kirchorte kaum zu bewältigen. Wie wir noch sehen werden, muss auch die Finanzierung bei den Erweiterungen am Rödersdorfer Gotteshaus große Schwierigkeiten bereitet haben. Allerdings sollen durch die eben gewonnenen Feststellungen die religiösen Gründe, die zu einer Wallfahrt führten, keinesfalls in Abrede gestellt werden. Aber letzthin war es doch von Bedeutung, dass der im Begriff stehende Wallfahrtsort einen günstigen Nährboden brauchte.

Das Rödersdorfer Gotteshaus vom ehemaligen Pfarrhaus aus gesehen Mit dem Wallfahrtsgeschehen in Rödersdorf wurden zwei Märkte ins Leben gerufen, die auch nach Einführung der Reformation fortbestanden. Bis auf den heutigen Tag ist im Ort die Erinnerung wachgeblieben, dass man jene Märkte als "Appeltsmarkt", hergeleitet von Ablassmarkt, bezeichnete. Bis kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges fand der Appeltsarkt noch statt. Zahlreiche Kaufstände von Händlern sorgten dabei für einen überaus regen Besuch aus nah und fern. Scherzhafter Weise wurde dieser "Krammarkt", wie man jenem Tag noch bezeichnete, an dem zugleich die Rödersdorfer Kirmes am Johannistag (24. Juni) feierlich begangen wurde, als "Salat- oder Wurstkirmes" wegen der noch fehlenden Erntefrüchte so bezeichnet. Der zweite Appeltsmarkt wurde am Sonntag vor Michaelis begangen. Seit aber in Schleiz zu Beginn des 17. Jahrhunderts an demselben Tag ein Viehmarkt, der mit einem Krammarkt verbunden war, ins Leben gerufen wurde, ist der Rödersdorfer eingegangen. Sicherlich wegen der abnehmenden Besucherzahl wurde dieser in Rödersdorf aufgehoben. Durch das Reformationsgeschehen kam es zwar zur Aufhebung des Wallfahrtsgeschehens, aber das mit diesen entstandene Markttreiben an den ehemaligen Wallfahrtstagen hat noch die Jahrhunderte überdauert.